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Wissenschaftliche Publikationen

(chronologisch absteigend aufgelistet)

Die Förderung des Fischadlers in der Schweiz: wissenschaftliche Grundlagen und Strategien

Autoren

Raffael Ayé, Josephine Cueni, Reto Spaar et Olivier Biber

Herausgeber

Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz, Schweizerische Vogelwarte Sempach und Nos Oiseaux

Jahr

2017

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Zusammenfassung

Dieser Bericht präsentiert die Faktenlage zum Fischadler in Mitteleuropa und beleuchtet die zwei Hauptstrategien zur Förderung des Fischadlers in der Schweiz. Er soll die Diskussion um die unterschiedlichen Fördermethoden auf eine gemeinsame fachliche Basis stellen. Der Fischadler Pandion haliaetus ist ein beinahe kosmopolitisch verbreiteter Greifvogel. Aktive Verfolgung durch den Menschen, das Fällen von alten Bäumen und später die Verwendung des Umweltgifts DDT sind die wichtigsten Gründe seines Rückgangs in grossen Teilen Europas. Der Fischadler ist in zahlreichen Ländern Europas verschwunden, so auch in der Schweiz, wo er 1911 das letzte Mal brütete. In Europa erreichte der Bestand seinen Tiefpunkt Mitte der 1970er-Jahre. Seither haben neue Gesetze zur Reduktion der wichtigsten Bedrohungsfaktoren beigetragen und der Bestand nimmt wieder zu. Im Vergleich zum besser bekannten Bestand der 1980er-Jahre hat sich der Bestand gemäss einer kürzlich publizierten Studie bis 2013 beinahe verdoppelt (Schmidt-Rothmund et al. 2014). Im gleichen Zeitraum hat sich die Population wieder ausgebreitet und zahlreiche Regionen sind wiederbesiedelt worden, inklusive einer Region Frankreichs in mehr als 1000 km Entfernung vom nächstgelegenen Brutgebiet der 1970er-Jahre. Der Fischadler ist heute auf der globalen und auf der europäischen Roten Liste jeweils in der Kategorie "nicht gefährdet" klassifiziert. Trotzdem ist sein Erhaltungszustand noch nicht günstig. Zahlreiche Regionen und Länder Europas sind noch unbesiedelt und die Population im Mittelmeerraum ist weiterhin gefährdet. Die Schweiz wurde ebenfalls noch nicht wiederbesiedelt. Hingegen zeigen zwei unabhängige Analysen, dass es in unserem Land weiterhin ausgedehnte potenzielle Brutgebiete für die Art gibt. Der Fischadler bewohnt unterschiedliche Gewässertypen von Meeresküsten über Binnenseen, Teiche, Kanäle und Flüsse (Mebs & Schmidt 2006). Entscheidend ist die Verfügbarkeit einer ausreichenden Zahl von Beutefischen. Der Fischadler bevorzugt erhöhte und exponierte Standorte wie Baumkronen oder Strommasten für den Bau seines Horstes Die adulten Fischadlerzeigen eine ausgeprägte Horstbindung (Dennis 2008). Neue Brutvögel siedeln sich meistens in einer Distanz von wenigen bis mehreren Dutzend Kilometern vom Ort an, wo sie aufgewachsen sind. Bisweilen kommt es vor, dass Fischadler in Distanzen von mehreren hundert Kilometern vom Geburtsort neue Populationskerne gegründet haben. Die Fischadler von Nord- und Mitteleuropa überwintern in erster Linie in Westafrika, von der südlichen Sahara bis zum Äquator. Die Brutvögel des Mittelmeerraums ziehen nicht sondern sind Strichvögel (Mebs & Schmidt 2006). Der Mangel an geeigneten Horstbäumen, der auf die Holzwirtschaft zurückgeht, ist ohne Zweifel weltweit der wichtigste limitierende Faktor für die Fischadler-Population (Schmidt & Müller 2008). Das Vorhandensein geeigneter Bäume oder Hochspannungsmasten stellt auch für die Wiederbesiedlung der Schweiz ein Schlüsselelement dar (Krummenacher et al. 2009). Störungen werden als zweitwichtigster limitierender Faktor für die mitteleuropäische Population betrachtet. Zu den Verlusten aufgrund menschlicher Verfolgung, die vor allem in den Zug- und Überwinterungsgebieten noch verbreitet ist, gibt es keine quantitativen Angaben. Die Berner Konvention erarbeitet zurzeit einen europäischen Aktionsplan. Frankreich hat bereits einen nationalen Aktionsplan und einen Aktionsplan zur Förderung des Fischadlers publiziert. Einige deutsche Bundesländer haben ebenfalls Aktionspläne publiziert. Diese Aktionspläne sehen gezielte Massnahmen für den Schutz und das Einrichten von Brutplätzen vor und beinhalten das Errichten von Kunsthorsten und Massnahmen zur Besucherlenkung. Kunsthorste zur Förderung der Wiederbesiedlung wurden auch in verschiedenen Regionen Europas errichtet, so zum Beispiel in Grossbritannien, in mehreren deutschen Bundesländern und in einigen französischen Departementen. In Europa laufen sechs Wiederansiedlungsprojekte, die alle die „Hacking“-Methode einsetzen. In England, Spanien und Italien waren die Wiederansiedlungen dank Freilassungen über 5–6 Jahre erfolgreich (Dennis 2008, Monti 2012). Drei weitere Wiederansiedlungsprojekte gibt es in Portugal, im Baskenland und in der Schweiz. In der Schweiz (sowie andernorts) gibt es zwei Strategien zur Förderung der Ansiedlung von Fischadlern: 1) Die Errichtung von Nisthilfen für den Fischadler, insbesondere Kunsthorste und Sitzwarten, und eine geeignete Nutzung und Pflege seiner Habitate in Erwartung einer natürlichen Wiederbesiedlung. 2) Translokation von Jungvögeln und Wiederansiedlung mit der "Hacking"-Methode. Beide Strategien werden aller Wahrscheinlichkeit nach zur Brutansiedlung des Fischadlers in der Schweiz führen. Die Hauptunterschiede sind die Kosten und die Zeit bis zur Ansiedlung.